In meiner Eigenschaft als Vorsitzende der AG Kommunalpolitik der CDU-Bundestagsfraktion und damit insbesondere zuständig für den ländlichen Raum habe ich heute Bundesgesundheitsminister Lauterbach aufgefordert, seine Pläne zur Apothekenreform zu überarbeiten. Andernfalls würde deren Umsetzung zu einem Apotheker-Sterben führen. So auch die Überzeugung des Präsidenten der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, Dr. Kai Christiansen, mit dem ich mich letzten Freitag in seiner Apotheke in Steinbergkirche ausgetauscht habe. Voraussichtlich schon am 21. August 2024 wird sich das Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf befassen.
Worum geht es? Lauterbachs Entwurf zu einem Apotheker-Reformgesetz (ApoRG) sieht vor, dass ein Apotheker, der mehrere Filialen betreibt, in jeder Filiale nur acht Stunden pro Woche anwesend sein muss. In der restlichen Zeit könnten Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) die Patienten alleine versorgen. „Damit bürdet Lauterbach den PTA eine Verantwortung auf, für die sie nicht ausgebildet sind“, so Christiansen in dem Gespräch. „Er macht aus Apotheken mit Apothekerinnen und Apothekern reine Verkaufsstellen ohne Approbierte.“
Der Minister verkündet stets, dass er die Apotheken stärken will. Tatsächlich schwächt er sie und schafft eine Art Apotheke light. Dies bedeutet eine Schwächung des ländlichen Raums, massenhafte Arbeitsplatzvernichtung für Approbierte und über kurz oder lang die Abschaffung des Apothekerberufs. Und: Diese Entwicklung gefährdet die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung besonders auf dem Land. Die Versorgung im ländlichen Raum bedeutet weitere Wege für Patienten aber auch für Apotheker und deren Mitarbeiter bei der Betreuung durch Botendienste. Der Versandhandel kann weder die Versorgung in der Fläche übernehmen noch die Betreuung der Patienten so gewährleisten wie eine Apotheke vor Ort.
Der Kammerpräsident dazu: „Apotheker sind Heilberufler und keine reinen Kaufleute. Ob während der Notdienste, bei denen der überwiegende Teil der Patienten ohne Rezept kommt, oder außerhalb dieser Dienste müssen wir bei jedem Kundenkontakt klären, ob eine mögliche Selbstmedikation reicht, oder ein Arztbesuch angezeigt ist. Dies entlastet Arztpraxen und trägt dazu bei, Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu senken. Auch dieser Aspekt wird bei den Reformplänen des Gesundheitsministers nicht berücksichtigt.“ Apotheken sorgten für Versorgungssicherheit bei Lieferschwierigkeiten von Medikamenten. Hinzu kämen pharmazeutische Dienstleistungen wie eine Medikationsanalyse, was wiederum mögliche Einnahmen der Apotheken reduziere und Kosten der GKV spare.
Die Apotheken würden ihrer Aufgabe gerecht, so Chrisiansen. Das Honorar werde aber weder der Aufgabe noch der damit verbundenen Verantwortung gerecht. Zielführend sei, Botendienste der stationären Apotheken zu stärken. Auch Prävention sei ein richtiger Weg. Der Weg der Pläne des Bundesgesundheitsministers führe aber in die falsche Richtung. Bei der geplanten Apothekenreform gehe es um eine Entscheidung zwischen Erhalt und Stabilisierung der inhabergeführten Apotheken vor Ort oder der Entmenschlichung der Arzneimittelversorgung durch Abgabestellen ohne Apotheker bzw. durch Abgabeautomaten. Es dürfe nicht derselbe Fehler begangen werden, wie er bereits vor Jahrzehnten bei der Medikamentenherstellung gemacht worden sei. Apotheken, die einmal vom Markt seien, seien nicht mehr reaktivierbar.
Wie geht es weiter? Aufgrund koalitionsinterner Streitigkeiten ist es offen, ob sich der Deutsche Bundestag mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Sofern es zu einem entsprechenden Gesetzesbeschluss des Bundestages kommt, haben die Bundesländer über den Bundesrat nach Artikel 77 GG Einflussmöglichkeiten. Das ApoRG wird mit großer Wahrscheinlichkeit als nicht-zustimmungspflichtiges Gesetz in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Damit verringern sich die Möglichkeiten der Länder, das Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat zu stoppen, erheblich. Gegen den Gesetzesbeschluss des Bundestags kann durch den Bundesrat der Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 GG) angerufen werden. Schlägt dieser einen geänderten Gesetzesbeschluss vor, hat der Bundestag hierüber erneut abzustimmen und kann den Einspruch zurückweisen. Wird der Einspruch des Bundesrats mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag ebenfalls einer Zwei-Drittel-Mehrheit, mindestens aber der Mehrheit der der Mitglieder des Bundestages. Im Bundesrat haben die Bundesländer insgesamt 69 Stimmen. Für einen Mehrheitsbeschluss des Bunderats sind daher 35 Stimmen, für eine Zwei-Drittel-Mehrheit 42 Stimmen erforderlich.
Anhang: Im vergangenen Jahr sind 500 Apothekenbetriebsstätten in Deutschland weggefallen, was der Zahl der Apotheken in Thüringen entspricht. Im 1. Halbjahr 2024 waren es bereits 283 in Gesamt-Deutschland. In den kommenden Jahren ist laut Apothekenwirtschaftsbericht 2024 mit dem Wegfall einer großen Zahl weiterer Apotheken zu rechnen. Aktuell gibt es im EU-Durchschnitt 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner. In Deutschland liegt die Versorgungsdichte bei 21 Apotheken pro 100.000 Einwohnern.